Lukas 1, 46-48
Zwei Verse aus dem heutigen Evangelium zum 4. Sonntag im Advent: Maria singt: „Meine Seele erhebt den Herren und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.“
Liebe Gemeinde,
über dem Abschnitt aus dem Lobgesang der Maria steht unausgesprochen eine Frage der Maria: WARUM ausgerechnet ich? Ein einfaches Mädchen ohne besondere Kennzeichen, verlobt mit einem Manne namens Josef, – ich die Mutter des Heilandes Gottes? Warum ausgerechnet ich?
Wenn wir mit einigermaßen wachen Augen durch die Welt gehen, dann können wir diese Frage gleich zu uns herüberholen und gleich weiter fragen: warum ausgerechnet wir – warum ausgerechnet du, warum ausgerechnet ich?
Warum gehöre ich zu dem Volk, das den Wohlstand anscheinend gepachtet zu haben scheint, ein Volk, das Advent in Ruhe und Frieden feiern kann, auch wenn wir in diesem Jahre besondere Infektionszeiten hatten. Warum gehöre ich zu dem Volk, dessen Tisch reich gedeckt ist – so reich, dass wir Schwierigkeiten haben zu überlegen, was eigentlich zum Lebensnotwendigen gehört und was nicht. – Aber zurück zur Frage: warum ausgerechnet ich hier im Wohlstand?
Oder gleich die Frage auf eine andere Ebene gezogen: Warum bin gerade ich Christ? – Selbstverständlich ist das nicht. Es gibt Moslems, Hindus, Buddhisten und vieles andere mehr. Bin ich nicht viel besser dran? Ich weiß doch: In keinem andern ist das Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, darin sie sollen selig werden – als allein in dem Namen des Herrn Jesus. – Deshalb bin ich besser dran. Weil ich zu Christus gehöre. Weil allein in seinem Namen das Heil liegt, das Gott eingerichtet hat, für mich …
Aber warum ausgerechnet mir das? Was habe ich dazu getan, dass Gott sich meiner angenommen hat? Was habe ich dazu getan, dass ich zu seinen Auserwählten, zu den auf Christus Getauften gehöre?
Die Antwort: NICHTS habe ich dazu getan. Und das ist als Antwort sehr ernüchternd.
Überhaupt ist es sehr ernüchternd, sich selbst einmal als Teil des Ganzen zu sehen – als ein Teil aus Gottes Universum. Da steht man plötzlich nicht mehr im Zentrum, um das sich alles zu drehen hat, sonders da ist man ein Staubkorn im Universum, ein Staubkorn unter Staubkörnern. Untereinander kaum zu unterscheiden. Unsere Niedrigkeit ist unser eigentliches Wesen. Maria spricht hier nicht umsonst davon.
Aber es ist so, dass Gott die Niedrigkeit ansieht. Unsere Niedrigkeit, meine und deine. In den Augen Gottes gelten wir Staubkörner etwas, diese Staubkörner, die er selbst geschaffen hat. Er hat uns berufen, gesegnet und geheiligt in seinem Sohn. Das bedeutet einen Vorgang des Auswählens und des Erwählens. So, wie hier Maria feststellen muss, dass sie auserwählt ist. Auserwählt unter allen. So, wie das ganze Volk Israel auserwählt war, das Volk Gottes zu sein. So, wie unser Volk auserwählt war, der Wahrheit des Evangeliums zu dienen, besonders durch einen bestimmten Reformator. So wie eine bestimmte Kirche auf unserer Welt Grund hat zu besonderer Freude, da in ihr dem Getauften der Himmel zugesprochen wird, ohne jedes Wenn und Aber. – Du hast Grund zur Freude. Du kannst einstimmen in die Worte Marias: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes …“
Ja, Gott wählt aus. Er tut das ohne Wenn und Aber, ohne zu fragen, ob es den Angesprochenen gerade in den Kram passt. Maria hätte sich ihre Zukunft sicher ganz anders vorgestellt, wenn sie sich das hätte aussuchen können. Maria bekam Schwierigkeiten mit ihrem Verlobten, als sie vor der Zeit ein Kind bekam. Wen wundert’s? Auch wir spüren, dass Christsein und Glaube ein Stück Kreuz mit sich bringen kann. Bei uns hier noch verhältnismäßig wenig, weil man hier als Christ höchstens als ein etwas sonderbarer Vogel mit eigenartigen Zielvorstellungen gilt. Wenn man allerdings in einer anderen Umgebung zu Hause ist, dann kann Christsein und Glaube bedeuten, um sein Leben zu fürchten und zu fliehen und sich in eine äußerst ungewisse Zukunft zu stürzen. Vater, Mutter, Brüder und Schwestern zu verlassen und zu hoffen, dass man irgendwo aufgenommen wird, wo man nicht bedroht ist. Maria wird das bald alles zu spüren bekommen. Sie wird merken, was es heißt, den Mächtigen im Lande ein Dorn im Auge zu sein. Noch hat sie diesen Überblick nicht. Sie fügt sich den Worten des Engels. „Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Welch eine überwältigendes Wort für ein junges Mädchen. Welch ein Vertrauen auf den Herrn! Da ist keine Skepsis. Da sind keine Vorbehalte, kein Vielleicht – wenn gerade mal Zeit ist und es passt! Da ist das Lob Gottes, das da aus dem Munde dieses jungen Mädchens kommt. Ein Lob, das noch heute gesungen wird in den Stundengebeten. Ein Lob, das dem Herrn gilt, der die Niedrigkeit der Menschen angesehen hat. Der seine Erlösungstat in Gang gebracht hat, zur Freude der Menschen. So singt Maria: „Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten.“ – Ja, Gott macht seine Verheißungen wahr. Maria darf erleben, dass das, was Gott Abraham verheißen hat, Wahrheit wird: In dir sollen gesegnet werden alle Völker … Wir dürfen erleben, dass wir gesegnet sind. – Grund Gott zu loben, dankbar zu sein, Lieder anzustimmen. Auch und gerade dann, wenn wir Zeugnis geben dürfen für die Güte Gottes. Die auch dann da ist, wenn wir durch widrige Umstände müssen. Wie Maria. Sie kann uns Vorbild sein. Im Gehorsam und im Lob Gottes.
Und wenn wir noch einmal die Frage vom Beginn aufnehmen – die große Frage nach dem Warum – warum Maria, warum wir, warum ich? Dann gibt es nur eine Antwort: Weil Gott das Heil will für alle, für Maria, für die Menschen auf allen Kontinenten, für dich und für mich. Deshalb. Weil es sein Wille ist. Amen.