Lk. 1,67-79

(Eine Flasche Sekt steht auf dem Altar, von dem aus diese Predigt gehalten wird.)

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn Jesus Christus,

da steht nun seit Beginn des Gottesdienstes diese Sektflasche hier auf dem Altar. Und du hast vielleicht schon die ganze Zeit darüber gegrübelt, was das soll. Gibt es was zu feiern? Dass vielleicht bald die Impfungen anfangen gegen das Corona-Virus, oder was? Oder eine neue Form des Heiligen Abendmahls? Aber doch bitte nicht mit Sekt!

Nein, liebe Gemeinde, ich will keinen ausgeben, sondern diese Flasche hat einen ganz anderen Sinn.

Ich möchte sie als Gleichnis nehmen für die Begebenheit, um die es heute in der Predigt geht.

Also: Diese Flasche steht unter Druck. Durch einen Korken, der in den Flaschenhals gepresst worden ist, wird der Inhalt in der Flasche gehalten. Und damit nichts passiert, wird der Korken durch eine Drahtkonstruktion gesichert.

Wenn ich das hier lösen und den Korken ganz vorsichtig andrehen würde, könnte ich die Flasche wahrscheinlich ohne große Probleme öffnen. „Plopp“ würde es machen und dann könnte man die Gläser füllen.

Aber wenn ich diese Flasche kräftig schüttele oder noch irgendwo gegenstoßen lasse, dann würde der Korken höchstwahrscheinlich mit einem lauten Knall herausschießen und ein großer Teil der Flasche mit überschäumender Wucht hinterher.

Ganz ähnlich ist es – im übertragenen Sinne – jenem Mann gegangen, von dem der Evangelist Lukas im ersten Kapitel seines Evangeliums erzählt:

Und … Zacharias wurde vom heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach:

Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –, dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.

Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Das, liebe Gemeinde, ist der sogenannte „Lobgesang des Zacharias“, das „Benedictus“ wie wir es aus den Tagzeitengebeten in unserem Gesangbuch kennen oder aus der Liturgie der röm. kath. Kirche. Denn „benedicere“ heißt loben, preisen, segnen: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!

In diesen Lobgesang möchte ich euch, liebe Schwestern und Brüder, mit hineinnehmen und lade euch herzlich ein, euch mit mir in den Zacharias zu versetzen.

Also: Neun Monate lang war meine Kehle verschlossen wie mit diesem Korken. Neun Monate lang schweigen. Neun Monate Zeit zum Nachdenken über das, was passiert ist und was noch kommen soll. Neun Monate lang steigender Druck hier drinnen. Denn Gott hatte mein normales Leben ziemlich durchgeschüttelt. Aber das könnt ihr ja nicht wissen. Darum mal das Ganze von vorne.

Also: Mein Name ist Zacharias. Ich bin Priester am Tempel in Jerusalem und war eingeteilt, das Rauchopfer darzubringen. Habe ich schon oft gemacht, ist für mich Routine, bin ja schon ein Altgedienter, kurz vor dem Ruhestand.

Früher, in meinen jungen Jahren, da war ich nicht so abgeklärt wie heute. Da wollte ich was verändern. Auch als Priester. Da habe ich oft darum gebetet: Gott, warum greifst du nicht ein in diese Welt? Oh, wenn du doch deinen Himmel aufrissest und auf die Erde kämst! Dann würde alles gut!

Aber das Wünschen und Hoffen habe ich längst aufgegeben. Gerne hätte ich mit meiner Frau Elisabeth einige Kinder gehabt. Aber auch da passierte nichts. Und nun war es längst zu spät damit. Dachte ich jedenfalls.

Bis zu jenem Tag, als ich für das Rauchopfer im Tempel ausgelost worden war.

Da riss plötzlich der Himmel auf, da geschahen seltsame Dinge, die ich gar nicht richtig beschreiben kann. Oder habt ihr eine Ahnung, wie das ist, wenn Gott plötzlich gegenwärtig ist, wie ihr es noch nie erlebt habt?

Wünscht euch das besser nicht!

Ich jedenfalls war dem nicht wirklich gewachsen.

Sicher, meine Elisabeth und ich, wir waren immer fromm gewesen und hatten uns an alles gehalten, was uns unser Glaube vorschreibt.

Aber würdest du das kapieren, wenn da so was wie ein Engel erscheint und  eine Stimme zu dir spricht: Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Johannes geben.

Damit rechnet doch keiner. Das ist doch irgendwie alles nicht von dieser Welt. Wenn du das einem erzählst, dann hält er dich womöglich für durchgeknallt, verrückt!

Elisabeth soll noch ein Kind kriegen? Ausgeschlossen. Biologisch unmöglich!

Und irgendwie auch peinlich: wir in unserem Alter! Was werden die Nachbarn sagen und die Verwandten?

Schon fast reflexartig habe ich darum gefragt: Woran soll ich das erkennen? Denn  ich bin alt, und meine Frau ist betagt.

Das hätte ich besser nicht machen sollen. Denn der Engel antwortet mir:

… siehe, du wirst stumm werden und nicht reden können bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast, die erfüllt werden sollen zu ihrer Zeit.

Und dann habe ich nichts mehr herausgebracht. Es hatte mir buchstäblich die Sprache verschlagen.

Kannst du dir vorstellen, wie das ist? Du kannst nichts mehr sagen und nichts mehr singen. Und draußen warten die Leuten darauf, dass ich endlich aus meiner Sakristei rauskomme und endlich mit der Rauchopfer-Liturgie anfange.

Ich hab’s versucht mit Zeichensprache klarzumachen, was passiert ist.

Aber das geht natürlich nicht. Wie willst du ihnen zeigen, dass der Himmel aufgerissen ist und dass da ein Engel war und was er mir gesagt hat?

Meine vorgesetzten Priester haben mich nach Hause geschickt und mir gesagt, ich solle Bescheid geben, wenn es wieder in Ordnung wäre mit mir, wenn es besser würde mit mir.

Da saß ich nun zu Hause und habe neun lange Monate rumgegrübelt über die Worte, die mir der Engel Gabriel in Bezug auf mein werdendes Kind mit auf den Weg gegeben hatte: Und du wirst Freude und Wonne haben, und viele werden sich über seine Geburt freuen. Denn er wird groß sein vor dem Herrn; Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken und wird schon von Mutterleib an erfüllt werden mit dem Heiligen Geist.

Und er wird vom Volk Israel viele zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren.

Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft Elias, zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern und die Ungehorsamen zu der Klugheit der Gerechten, zuzurichten dem Herrn ein Volk, das wohl vorbereitet ist.

Wein und starkes Getränk – darauf verzichteten alle, die ihr Leben total Gott geweiht hatten. Erfüllt mit dem Heiligen Geist – demnach würde mein Sohn also ein Prophet sein! Einer, der zur Buße rufen würde, zur Umkehr zu Gott!

Er wird vor ihm hergehen!

Natürlich kenne ich die Bibelstelle, wo der Prophet Maleachi den Boten angekündigt, der vor dem Herrn hergehen und ihm den Weg bereiten würde. Aber sollte das ausgerechnet jenes Kind sein, das da in Elisabeth heranwächst? Ist das nicht ein wenig verrückt? Bilde ich mir da nicht etwas ein?  Wer sind wir denn, meine Frau und ich. Ganz normale Leute!

Ihr könnt meine Zweifel sicher verstehen. Stellt euch vor, jemand in eurer Familie sollte so eine Berühmtheit werden, die die Welt verändert!

Aber neun Monate sind eine lange Zeit. Da haben die Gedanken Zeit  zu wachsen und zu reifen. Und irgendwann war es mir dann klar. Nicht, weil es meine Gedanken waren, sondern weil Gott mir diese Erkenntnis eingegeben hat.

Da bin ich fast geplatzt, weil ich diese Gedanken nicht sagen konnte. Und nach der Geburt noch mal 8 Tage warten musste bis zur Bescheidung und Namensgebung meines Sohnes. Das waren die längsten 8 Tage meines Lebens!

Alle waren sie gekommen zu diesem Ereignis. Und ich habe mich unglaublich aufgeregt, als sie über den Namen meines Sohnes spekuliert haben: Er wird doch sicher Zacharias heißen, wie du. Oder soll er den Namen seines Großvaters bekommen. Mir wurde schon fast schwindelig vom vielen Kopfschütteln! Und weil ich dieses ganze Gerede nicht mehr hören konnte, hab ich dann einfach eine Tafel genommen und den Namen draufgeschrieben, den mir der Engel im Tempel gesagt hatte: Johannes!

Und auf einmal konnte ich wieder sprechen. Ich hatte das Gefühl, als wäre mir ein Korken aus meiner Kehle rausgeflogen. Und dann musste ich Gott einfach loben und preisen mit Psalmen und Prophetenworten:

»Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels; denn er ist uns zu Hilfe gekommen und hat sein Volk befreit!

Einen starken Retter hat er uns gesandt, einen Nachkommen seines Dieners David!

So hatte er es schon vor langer Zeit durch seine heiligen Propheten angekündigt:

Er wollte uns retten vor unseren Feinden, aus der Gewalt all derer, die uns hassen.

Unseren Vorfahren wollte er die Güte erweisen, nie seinen heiligen Bund zu vergessen, den er mit ihnen geschlossen hatte.

Schon unserem Ahnherrn Abraham hat er mit einem Eid versprochen,

uns aus der Macht der Feinde zu befreien, damit wir keine Furcht mehr haben müssen und unser Leben lang ihm dienen können als Menschen, die ganz ihrem Gott gehören und tun, was er von ihnen verlangt.

Und du, mein Kind – ein Prophet des Höchsten wirst du sein; du wirst dem Herrn vorausgehen, um den Weg für ihn zu bahnen.

Du wirst dem Volk des Herrn verkünden, dass nun die versprochene Rettung kommt, weil Gott ihnen ihre Schuld vergeben will.

Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen; er schickt uns den Retter, das Licht, das von oben kommt.

Dieses Licht leuchtet allen, die im Dunkeln sind, die im finsteren Land des Todes leben; es wird uns führen und leiten, dass wir den Weg des Friedens finden.« (Lk.1,68-79; Gute-Nachricht-Bibel)

Mein kleiner Sohn wird der Vorläufer des Messias sein.

Er wird dem ersehnten Messias vorangehen und ihn ankündigen: den Heiland dieser Welt, die Erfüllung der Verheißungen Gottes.

Da wird Gott den Himmel aufreißen und alles, was uns jetzt noch Sorgen macht, wird überwunden sein!

Gott bleibt nicht in seinem Himmel, er bleibt nicht fern. Gott kommt uns nahe. Und er ist uns nahe!

Gott hat uns nicht vergessen! Gott hält sein Wort, das er vor vielen Generationen unseren Vätern und den Propheten verheißen hat!

Darum noch mal:  Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen; er schickt uns den Retter, das Licht, das von oben kommt.

Dieses Licht leuchtet allen, die im Dunkeln sind, die im finsteren Land des Todes leben; es wird uns führen und leiten, dass wir den Weg des Friedens finden.

Wahrlich, ein Grund zum Feiern!

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Jürgen Wienecke, Pfarrer