Groß und wunderbar sind deine Taten, Herr und Gott, du Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, du König der Völker. (Offb 15,3)
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
als vor einigen Jahren der Deutsche Kleinkunstpreis in der Sparte Chanson an den im lippischen Kalletal aufgewachsenen Sebastian Krämer verliehen wurde, trat der Künstler auf die Bühne, empfing den Preis und setzte sich dann ans Klavier: „In dieser rüden Zeit voll falscher Fröhlichkeit: Was kann dich noch berührn, dich reizen und verführn? Befreit von mancher Last, die du schon vergessen hast, nur um dir eine Sehnsucht dafür anzudrehn, die dich ab jetzt durchzieht?“ Die Antwort im darauffolgenden Refrain ließ nicht auf sich warten: „Ein Lied!“ (zu finden unter: S. Krämer, „Vermögen und Unvermögen der Liedkunst“).
Lieder haben etwas an sich, etwas manchmal gar nicht in Worte zu Fassendes. Lieder können erheben und stärken, bringen die Seele sozusagen zum Schwingen und klingen oft noch lange nach – ob als klassischer Ohrwurm oder als Schatz im Herzen, der mich eine Weile begleitet: Je nach Lebenssituation können verschiedene Lieder oder Themen prägend sein; ob mit dem Blick in die Zukunft, in die Gegenwart oder in die Vergangenheit. Die Musik ist eine der Gaben Gottes, und schon deshalb – sowie aus dem Reichtum eigener Erfahrung – wusste Luther zu sagen: „Musica ist die beste Labsal eines betrübten Menschen, dadurch das Herz wieder zufrieden, erquickt und erfrischt wird.“
Erquickt und zufrieden klingt auch die Menge, deren Siegeslied in diesem Oktober die Monatslosung bildet: Da wird dem Seher Johannes ein mit Feuer vermengtes gläsernes Meer vor Augen geführt, an dessen Ufer eine Menschenmenge mit Harfen steht. Von diesen Menschen heißt es, dass sie das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes singen. Also das ist, was sie singen. Und es steht dort, wer singt, nämlich „die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens“. (15,2)
Mit anderen Worten: Sie haben Zeiten der Anfechtung und Trübsal erlebt, haben es mit Mächten zu tun bekommen, die sich gegen Gottes Willen und – so albern es klingt – Seine Herrschaft zu stellen versuchten. Nun liegen diese Nöte und Strapazen hinter ihnen, sie preisen Gottes Taten, der als Herrscher und Schöpfer der Welt übermenschlich viele Wege und Möglichkeiten hat; zudem – und darauf kommt es an – gerechte und zuverlässige. Sicher werden einige Wege Gottes hier auf Erden auch uns erst dann als gerecht und zuverlässig einleuchten, wenn wir uns in der Menge wiederfinden, die o. g. heilvolles Siegeslied anstimmt.
Doch mit dieser Zukunftsaussicht lässt sich auch manche Last der Gegenwart leichter tragen, denn es ist derselbe Gott, der uns trägt und an den wir uns in Lied, Gebet und Flehen durch Jesus Christus, das Lamm Gottes, wenden dürfen – Gott sei Dank! Nicht nur für uns in der Augustana-Gemeinde gehören dabei Kap. 14+15 der Offenbarung eng zusammen; doch für uns insbesonders, denen im Kirchraum durch die Fensterwand in jedem Gottesdienst der Ruf des Engels vor Augen steht (14,7): „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre; denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen! Und betet an den, der gemacht hat Himmel und Erde und Meer und die Wasserquellen!“
Bislang ist diese Stunde des Gerichts noch nicht gekommen; der Jüngste Tag ist sozusagen noch Zukunftsmusik. Doch irgendwann – ob nun bereits zu unseren Lebzeiten hier auf Erden oder danach – wird die Zeit kommen, in der das Lamm Gottes, uns zum Heil im Gottesdienst als Altarsakrament ausgeteilt, wiederkommen wird zu richten die Lebenden und die Toten. Hierfür vorbereitet zu sein wünscht Ihnen wie mir
Ihr Pfarrvikar Dr. Andreas Pflock.