Ich wünsche dir in jeder Hinsicht Wohlergehen und Gesundheit, so wie es deiner Seele wohlergeht.
(3. Joh 2)
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
was inhaltlich wie ein irischer Segenswunsch klingen könnte, geht tatsächlich auf Zeiten zurück, als die Frohe Botschaft von Jesus Christus noch gar nicht bis auf die britischen Inseln gelangt war:
Obige Worte stammen aus dem kürzesten – und schon daher oft weniger bekannten – Buch des Neuen Testaments. Bei diesem handelt es sich um einen privaten Empfehlungsbrief, der so privat nicht sein kann, da er einen Teil des christlichen Kanons bildet. Dem Empfänger des Briefes wird dieser obige Segenswunsch mitgeteilt – im Kontext damaliger Korrespondenzen eine gängige Konvention: So grüßte man sich und drückte damit etwas aus, was wir heute in Zeiten von Corona-Regeln (oder neuerdings: -Empfehlungen), Gesundheitsbewusstsein und -schutz sowie Hygienestandards und -ordnungen umso deutlicher vor Augen haben: Dem Menschen liegt an seinem Leben und Wohlergehen, insbesondere wenn dieses fehlt.
Der o. g. Brief – und folglich auch die Monatslosung für Mai – hat mehr an sich als nur dokumentarisches Zeugnis für einen höflichen Briefautor oder gar für ein floskelhaftes Miteinander im Schriftverkehr zu sein. Denn hier wird der Mensch in seinem vielfältigen Wesen, mit seiner Mehrdimensionalität in den Blick genommen: „in jeder Hinsicht“ wird hier Wohlergehen und Gesundheit gewünscht, und so kommen verschiedene Facetten zur Sprache, die das Leben – damals wie heute – ausmach(t)en:
Körperliches, geistlich-geistiges und soziales Wohlbefinden. Jemandem auf diesen Ebenen Wohlergehen und Gesundheit zu wünschen, ist sehr komplex, weitreichend und beinhaltet beispielsweise: (1) Die Hoffnungsperspektive offenzuhalten, dass sich manches (vermeintliche) „Schicksal“ wenden kann bzw. mit Gottes Hilfe gewendet werden kann. (2) Für ein Leben aus dem Glauben nicht ausschließlich die geistliche Dimension zu veranschlagen, sondern auch in Erinnerung zu behalten, dass Christus (auch) als „Leib-Arzt“ kam, um Gottes Heil auf dieser Erde zu vermitteln, die wie die Körper der Menschen zur Schöpfung gehört. Und (3) jeden Teil des eigenen Lebens schon glaubensbedingt ernstzunehmen und auch die soziale Beziehungsebene in die eigene Frömmigkeit miteinzubeziehen:
Wem etwa versage ich einen solchen Wunsch nach Wohlergehen? Wie – und warum – ist diese oder jene Beziehung gestört und auf welche Weise habe ich selbst dazu beigetragen? Welche Mittel und Wege stehen zur Befriedung und Versöhnung zur Verfügung, damit nicht nur bei mir, sondern eventuell auch bei meiner oder meinem Nächsten ein (sozialer) Frieden (wieder) einkehren kann?
Grundlage dafür ist ein Lebenswandel „in der Wahrheit“ (vgl. 3. Joh 3-4). Auf dieser Basis kann sowohl Verständnis füreinander als auch Verständigung miteinander Realität werden. Dies hat dann befreiende und befriedende Auswirkungen und bringt Menschen zusammen – auch dort, wo vielleicht sogar seit Jahren oder Jahrzehnten Frieden und Versöhnung fehlte, weil diese Wahr-Haftigkeit verdrängt oder anderweitig vermieden wurde.
Für die österliche Freudenzeit wünsche ich Ihnen Wohlergehen und viele Erfahrungen der Gegenwart Christi: Er ist wahrhaftig auferstanden!
Ihr Pfarrvikar Dr. Andreas Pflock