Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. (Ps 42,3)

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

dieses Wort bildet den Monatsspruch für den Juli und stammt aus den Psalmen, von denen Luther sagen konnte: „Das menschliche Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meer, das die Sturmwinde von allen Seiten umtreiben. (…) Solche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen und den Grund herausschütten.“

Beim Lesen des Psalms kann der Eindruck entstehen, dass hier ein Beter tatsächlich solche „Sturmwinde“ erlebt – weniger die peitschenden Wirbelstürme als die oft nicht minder aufreibenden oder beschwerlichen Lebensstürme im übertragenen Sinn. Und vielleicht legen manche Stürme in unserem eigenen Leben oder bei anderen uns ebenfalls manche Last auf; zugleich haben es Sturmwinde so an sich, dass sie etwas freilegen, sodass die Seele sich „dürstend“, also sehnsüchtig und mit dem Ziel der Stillung (des Durstes bzw. des Sturmes), an Gott wendet.

Solche „Wendungen“ angesichts eigener oder fremder Not, besorgniserregenden Ereignissen auf der Welt oder gar im (Welt-)All, in der Gesellschaft, der Gemeinde oder in der eigenen Familie sind nicht nur etwas für die Beterinnen und Beter der damaligen Zeit oder diejenigen, welche damals als Musiker am Heiligtum dienten; auch heute machen wir Menschen Erfahrungen, die diesen „Durst“ nach Gott und Seinem Eingreifen nahezulegen vermögen: Hungersnot, Naturkatastrophen, Gewalt und Krieg, zwischenmenschliche Krisen bzw. Konflikte oder Ereignisse, die (zumindest aus derzeitiger Perspektive) unverständlich erscheinen, können die Hinwendung zu Gott, dem lebendigen Gott, bewirken oder zumindest neu ins eigene Blickfeld rücken.

Der lebendige Gott ist sowohl der Geber als auch der Erhalter des Lebens. Alles Leben kommt von Ihm, wurzelt in Ihm und wird durch Ihn am Leben erhalten. Das mutet gerade angesichts von oft großem Mangel an Leben in dieser Welt oder gar dem definitiven Ende des Lebens, dem Tod, einiges zu. Meistens trifft uns dieser Tod so unfreiwillig wie den Beter damals die Entfernung vom Heiligtum als der Stätte der göttlichen Gegenwart und Offenbarung. In dieser Situation erfuhr er Trost und fand Hoffnung in der Aussicht auf Gottes bald erscheinende Hilfe:

Diese Hilfe in der Erfahrung des eigenen Schmerzes und der hoffnungslosen Verzweiflung beseitigt nicht augenblicklich diese Verzweiflung oder jenen Schmerz; aber nachdem der Schmerz dreimal in Klage zu Gott ausgebrochen ist, nachdem sozusagen drei „Strophen“ aus Klage, Resignation und Verzweiflung zusammenkamen, endet jede dieser Strophen mit dem zuversichtlichen „Refrain“ als Zuspruch von außen: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.“ (vgl. Ps 42,6; Ps 42,12 und Ps 43,5).

Dieses Wort des Zuspruchs, im Vertrauen auf Gottes Hilfe auszuharren und auch in Situationen der Ungewissheit oder Unwissenheit an Seiner Führung festzuhalten, kann durch manche Betrübnis und Unruhe hindurchhelfen. Manchmal hilft im Kleinen schon der Blick über den eigenen Tellerrand, über manche selbstgesteckte Grenzen hinweg (so ist obiger „Refrain“ nur dann als dreifacher erkennbar, wenn die Kapitelnummerierungen von Psalm 42 und 43 „über-sehen“ werden, sodass der eine Psalm zum Vorschein kommt).

Für diesen Juli wünsche ich Ihnen und Euch nicht nur solche „Grenzerfahrungen“, sondern auch verschiedene Situationen, in denen dieser Zuspruch und diese Zuversicht durch uns oder uns gegenüber zum Zuge kommen können.

Ihr Pfarrvikar Dr. Andreas Pflock