Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. (Epheser 4,26)
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wir haben es nicht mit einem leidenschaftslosen, sondern mit dem lebendigen Gott zu tun. Dieser hat die Menschen geschaffen und zum Leben bestimmt – mit ihren Emotionen und rationalen Fähigkeiten, mit einem wachen Gewissen und vor allem: mit ihren sozialen Anbindungen durch Familienangehörige, Freundschaften, Gemeindeleben oder gesellschaftliches Engagement. Anbindungen geben einerseits Halt, aber andererseits halten sie die Erkenntnis wach, dass wir abhängig sind: Keiner kann allein Segen sich bewahren …
Nicht alle Segnungen Gottes kommen jedoch mit der großen Reklameaufschrift „Achtung, Segen des HERRN!“ daher. Und so sind es manchmal die eigene Gedankenlosigkeit oder die daraus folgende Kurzsichtigkeit, manchmal die durch diese Anbindungen entstehenden Reibungen, die die Gemüter in Wallung bringen. In biblischen Zusammenhängen sind solche Wallungen nur allzu gut bekannt, insbesondere wenn sich Menschen ungerecht behandelt fühlen, wenn sie Unrecht gegenüber anderen wahrnehmen oder weil andere Menschen Gott gegenüber ungehorsam sind.
Dass in solchen Situationen zahlreiche Gewitterblitze des Zorns am Firmament des Gemüts zucken können, macht nicht nur Menschen aus, sondern ist geradezu natürlich: Zorn muss nicht falsch oder schlecht, sondern kann auch gut und gerecht sein. Die Monatslosung für Februar 2022 führt vor Augen, dass das neue von Gott geschenkte Leben in Beziehungen gestaltet werden will und dass das christliche Miteinander auch Pflichten gegenüber der bzw. dem Nächsten umfasst. Eine solche Pflicht der christlichen Liebe stellt richtig verstandener Zorn dar:
So müssen wir einander nicht unseren Zorn vorenthalten, sondern zum ehrlichen Umgang untereinander gehört auch der ehrliche Umgang mit den eigenen Emotionen; zugleich stehen wir in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass wir mit unserem Zorn nicht aneinander schuldig werden. Denn überzogener Zorn – ebenso auch: unterdrückter Zorn – ist ungerecht und steht der christlichen Gemeinde nicht gut zu Gesicht; unguter Zorn verpufft nämlich nicht und ist dann verschwunden, als habe es ihn nie gegeben, sondern er setzt sich fest, er arbeitet weiter.
Wenn wir einander also unser Herz öffnen und es kommt Zorn heraus, dann ist das Kennzeichen einer ausgewogenen und reifen geschwisterlichen Liebe untereinander – einer Liebe, zu der gleichzeitig gehört, dass falls nötig zornige Gemüter zeitnah zusammenfinden, sich ehrlich den eigenen Einseitigkeiten oder Fehltritten stellen und einander die Liebe zuteil werden lassen, die Gott uns in Jesus Christus gezeigt hat (vgl. hierzu 4,31-32).
Denn Gott zeigt uns durch Jesus Christus zweierlei: einerseits, wie Ihm Gerechtigkeit und Wahrheit am Herzen liegen, sodass Sein Zorn angesichts von Unrecht und Unwahrheit entbrennt; und andererseits, wie leidenschaftlich Seine Liebe den Menschen gegenüber brennt, sodass Er diese Welt weiterhin am Leben erhält und ihr in Christus barmherzig mit herzlicher Vergebungsbereitschaft entgegenkommt. In diesem Sinne einen ausgewogenen und reifen Februar wünscht Ihnen
Ihr Pfarrvikar Dr. Andreas Pflock